Die Bibel ist ein Meisterwerk der Erzählkunst. Viele Passagen sind spannend erzählt und lassen auch heute noch den Leser den Atem anhalten. Hier ein kleines Beispiel: |
Frühmorgens stand Abraham auf, sattelte seinen Esel, holte seine beiden Jungknechte und seinen Sohn Isaak, spaltete Holz zum Opfer und machte sich auf den Weg zu dem Ort, den ihm Gott genannt hatte. Als Abraham am dritten Tag aufblickte, sah er den Ort von weitem. Da sagte Abraham zu seinen Jungknechten: Bleibt mit dem Esel hier! Ich will mit dem Knaben hingehen und anbeten; dann kommen wir zu euch zurück.
Abraham nahm das Holz für das Brandopfer und lud es seinem Sohn Isaak auf. Er selbst nahm das Feuer und das Messer in die Hand. So gingen beide miteinander. Nach einer Weile sagte Isaak zu seinem Vater Abraham: Vater! Er antwortete: Ja, mein Sohn! Dann sagte Isaak: Hier ist Feuer und Holz. Wo aber ist das Lamm für das Brandopfer? Abraham entgegnete: Gott wird sich das Opferlamm aussuchen, mein Sohn. Und beide gingen miteinander weiter. Als sie an den Ort kamen, den ihm Gott genannt hatte, baute Abraham den Altar, schichtete das Holz auf, fesselte seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz. Schon streckte Abraham seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten. Da rief ihm der Engel des Herrn vom Himmel her zu: Abraham, Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.
(Buch Genesis, Kapitel 22) |
Teile der Bibel sind in Gedichtsform geschrieben. Anders als der Reim in europäischen Gedichten benutzen die hebräischen Schriftsteller den sog. "Parallelismus": Es wird etwas beschrieben und dann wird das gleiche nochmals in andere Worte gefasst. Befremdend ist für uns Leser des 21. Jahrhunderts die Wortwahl, die halt aus der damaligen Umwelt genommen wurde. |
Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, / so lechzt meine Seele, Gott, nach dir.
Meine Seele dürstet nach Gott, / nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen / und Gottes Antlitz schauen? Tränen waren mein Brot bei Tag und bei Nacht; / denn man sagt zu mir den ganzen Tag: / «Wo ist nun dein Gott?» Das Herz geht mir über, wenn ich daran denke: / wie ich zum Haus Gottes zog in festlicher Schar, / mit Jubel und Dank in feiernder Menge. Meine Seele, warum bist du betrübt / und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, / meinem Gott und Retter, auf den ich schaue. Betrübt ist meine Seele in mir, darum denke ich an dich / im Jordanland, am Hermon, am Mizar-Berg. (aus den Psalmen, Kapitel 42) |
Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:
eine Zeit zum Gebären / und eine Zeit zum Sterben, / eine Zeit zum Pflanzen / und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, eine Zeit zum Töten / und eine Zeit zum Heilen, / eine Zeit zum Niederreißen / und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen / und eine Zeit zum Lachen, / eine Zeit für die Klage / und eine Zeit für den Tanz; eine Zeit zum Steinewerfen / und eine Zeit zum Steinesammeln, / eine Zeit zum Umarmen / und eine Zeit, die Umarmung zu lösen, eine Zeit zum Suchen / und eine Zeit zum Verlieren, / eine Zeit zum Behalten / und eine Zeit zum Wegwerfen, eine Zeit zum Zerreißen / und eine Zeit zum Zusammennähen, / eine Zeit zum Schweigen / und eine Zeit zum Reden, eine Zeit zum Lieben / und eine Zeit zum Hassen, / eine Zeit für den Krieg / und eine Zeit für den Frieden. (aus dem Buch Kohelet (Prediger), Kapitel 3) |