Die Bibel einmal anders - die Neunte
Kinder in der Bibel



Namentlich erwähnt werden in der Bibel nur Kleinkinder (Mose, Samuel, Jesus …). Etwa ab dem 5. Lebensjahr wurden Kinder zu Mitverantwortung für die Familie und eigenverantwortlicher Mitarbeit etwa in der Landwirtschaft herangezogen. „Unbelastet“ war die Kindheit also nur relativ kurz. Kinder galten bis zum 12. Lebensjahr als religiös unmündig und gehörten mit Frauen, Kranken, Alten und Ausländern an den Rand der jüdischen Gesellschaft.

Dass Gott als Kind auf die Erde kommt, bekommt in diesem Zusammenhang eine besondere Note, die ihre Fortsetzung in Jesu Umgang mit Kindern erfährt: Er lädt sie vorbehaltlos ein und misst ihnen Wert bei. – Der schroffen Zurückweisung durch die Jünger steht die umso zärtlichere Zuwendung Jesu entgegen (Mk 10,13-16). Er solidarisiert sich mit Kindern, indem er sie in die Mitte nimmt und seine Jünger darauf verpflichtet, es ebenso zu tun (Mk 9,36f.). Das Kind bekommt einen Ehrenplatz („Wer es aufnimmt, nimmt mich auf“). Und im Rangstreit der Jünger schließlich erklärt er das Kind zum Vorbild (Mk 10,15 par.) für eine Haltung, die des Reiches Gottes würdig ist: Kinder, die keine Qualifikation oder besondere Verdienste (Thorapflicht) vorweisen können, werden zu Beispielen für die grundlose Liebe Gottes. Wer in das Himmelreich eintreten will, muss es tun wie Kinder: allein aus Gnade, ohne Gegenleistung.

Damit rückt Jesus das Kind aber nicht nur vom Rand in die Mitte, sondern auch aus der Objekt- in eine Subjektstellung. Das Kind wird als glaubender Mensch ernst genommen.2 Es hat einen eigenen Wert, es muss nicht erst belehrt werden, um etwas werden, ist kein „unfertiges Rohmaterial, das irgendwann zum Erwachsenen und vollwertigen Gemeindemitglied heranreifen wird“3. Es muss sich nicht noch für die Erwachsenenwelt durch Erwerb von Wissen, Ausbildung, Arbeit oder den rechten Glauben qualifizieren. Jesus sieht es bereits als vollwertigen Menschen an, der Begegnung mit ihm würdig. – Dementsprechend wird in Mt 21,15f. der erste „Kindergottesdienst“ erwähnt.

Die radikale Position Jesu wurde bei Paulus und in den Pastoralbriefen teilweise wieder zurückgenommen. Die Stichworte lauten hier: Zucht, Weisung, und Anstand.

Quelle:
Kathrin Hagmüller: Kinderfreundliche Gemeinde
in: Amt und Gemeinde, 53. Jahrgang, Heft 10, Oktober 2002


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